Der Schütze: Jäger oder Gejagter?

 

Der Schütze – das neunte Zeichen im Tierkreis – wird astrologisch dem Element Feuer und dem Planeten Jupiter zugeordnet. In der Mythologie der schütze ist der Schütze oft als Kentaur dargestellt, halb Mensch, halb Pferd, mit Pfeil und Bogen in der Hand. Dieses Bild vereint zwei grundlegende Impulse: die animalische Natur des Instinkts und die menschliche Sehnsucht nach Erkenntnis, Wahrheit und Freiheit. Doch inmitten dieser Widersprüche stellt sich eine zentrale Frage: Ist der Schütze in seinem Wesen der Jäger – aktiv, suchend, zielgerichtet – oder ist er in Wahrheit der Gejagte, getrieben von einem unstillbaren Hunger nach Sinn?

Der Jäger – Idealist mit Pfeil und Vision

Zweifellos trägt der Schütze viele Eigenschaften eines Jägers in sich. Er ist neugierig, abenteuerlustig und immer auf der Suche nach dem „Mehr“ – mehr Wissen, mehr Erfahrung, mehr Tiefe. Sein Pfeil symbolisiert nicht nur das Ziel, sondern auch die Entschlossenheit, dorthin zu gelangen. In der Astrologie gilt der Schütze als optimistisch, unabhängig und philosophisch. Er jagt nicht Tiere, sondern Ideen, Weltbilder, Horizonte.

Im sozialen Leben zeigt sich der Schütze oft als jemand, der vorangeht – ein Lehrer, Visionär oder Reisender, der das Unbekannte erforscht. Er ist inspiriert von einem tiefen Glauben an das Gute, an das Potenzial des Menschen und die Weite der Welt. Seine Jagd gilt dem Sinn, der Wahrheit und der Weisheit. In diesem Sinne ist der Schütze ein Sucher, der sein Leben wie eine spirituelle Expedition gestaltet.

Der Gejagte – Vom inneren Feuer getrieben

Doch dieser Drang zu suchen kann sich auch ins Gegenteil verkehren. Denn was passiert, wenn der Schütze nie zur Ruhe kommt? Wenn jedes erreichte Ziel sofort vom nächsten abgelöst wird? Dann verwandelt sich der Jäger in den Gejagten – verfolgt von seinem eigenen Bedürfnis nach Erkenntnis, Freiheit und Bedeutung. Der Schütze wird zum Flüchtenden vor der Enge, vor der Langeweile, vor der Tiefe, die eine wirkliche Auseinandersetzung mit sich selbst verlangt.

In dieser Schattenseite zeigt sich die Rastlosigkeit des Zeichens. Der Schütze kann sich in seiner Begeisterung verlieren, leichtsinnig werden, immer auf der Suche nach dem nächsten „Kick“ – ob in Form von Reisen, Beziehungen oder Idealen. Nicht selten ist das, was er jagt, eine Projektion dessen, wovor er flieht: innere Leere, Zweifel oder die Angst, nicht genug zu sein.

Zwischen Fernweh und Heimkehr

Die Ambivalenz des Schützen liegt genau in diesem Spannungsfeld: zwischen Zielstrebigkeit und Orientierungslosigkeit, zwischen Begeisterung und Überforderung. Wie ein moderner Odysseus reist er durch Welten – physisch oder geistig – und sucht nach einem Zuhause, das er oft erst erkennt, wenn er gelernt hat, sich selbst zu begegnen.

In einer Zeit, in der Mobilität, Freiheit und Individualismus hoch im Kurs stehen, erscheint der Schütze aktueller denn je. Doch sein größtes Abenteuer beginnt nicht auf einer Landkarte, sondern im Inneren: Der Moment, in dem der Jäger sich selbst stellt und erkennt, dass der wahre Sinn nicht in der Flucht liegt, sondern in der bewussten Wahl, wann und wohin man seinen Pfeil richtet.

Fazit: Dualität als Stärke

Ob Jäger oder Gejagter – der Schütze ist beides. Und genau darin liegt seine Kraft. Denn nur wer das Getrieben-Sein kennt, kann echte Freiheit wertschätzen. Nur wer gejagt wurde, weiß, wie bewusst eine Jagd geführt werden muss. Der Schütze erinnert uns daran, dass der Weg ebenso bedeutsam ist wie das Ziel – und dass Wahrheit nicht nur in der Weite der Welt, sondern auch in der Tiefe des eigenen Herzens zu finden ist.

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